Die Tour hat begonnen

Ich lege heute einmal die Füße hoch und lasse andere das Sportevent machen. Denn die Tour hat – für mich als mittlerweile begeisterten Radsportfan – begonnen. Und in der Zeit vor dem Finale der vierten Etappe möchte ich euch noch den dritten und letzten Teil der Radtour an den Gardasee aufschreiben. Es geht heute noch von Meran über die mentale Herausforderung mit dem Namen „Etsch-Radweg“ bis an das Etappenziel „Lagio“. Viel Spaß bei unseren letzten Kilometern.

280km bis zur Mittagspause

Es lief traumhaft. Die ersten 100 Kilometer waren zur Morgendämmerung geschafft. Kilometer 200 und der Großteil der Höhenmeter schon vor dem Mittag. Und ab dem Reschenpass ging es bis Meran nur bergab. Wundervolle Sonne, guter Fahrtwind, gute Einsicht in alle Kurven und innerhalb von Minuten waren alle Höhenmeter von vor ein paar Stunden wieder abgefahren. Kurze Lagebesprechung hatten wir bereits vor dem Reschenpass gemacht: Ziel in 80KM die Mittagspause in Meran. Dieser Abschnitt sollte von der Kilometeranzahl einer der längsten des Tages sein. Denn ab Meran waren es nur noch 120 Kilometer. Aber 120 mental fordernde Kilometer.

Die Mittagspause war super einfach gehalten. Genial wie die Crew war haben wir im Bus 6 Campingstühle gehabt. Am Meraner Bahnhof wurde kurzerhand ein eigenes Restaurant mit großem Topf Nudeln und Kuskus-Salat auf dem Menü eröffnet. Cola, Wasser und Iso flossen auch in Strömen. Noch kein Bier, aber das war definitiv das Ziel für den Abend. Bier am Gardasee.

Die Erfahrenen sprechen

In der Mittagspause wurde das Geschaffte erstmal sehr gefeiert. Mit über 28kmh die ersten 200km, zur Mittagspause schon über 30kmh. Jetzt kamen aber die Erfahrenen, welche die Tour schon gefahren sind – also alle anderen außer ich – mit der „guten“ Nachricht, dass es zwar nur noch 120km sind, aber alle davon mit Gegenwind; mit mental sehr fordernden Gegenwind.

Zum Gegenwind kam dazu, dass es sehr warm wurde. Das führte dazu, dass wir schnell einem zu hohen Tempo Tribut zollen würden. Wieder eine Ansage aus der Gruppe: „Wir kommen zusammen, alle 5, am See an“. Jetzt wurden die Turns an der Spitze unseres Zugs länger und die Pace etwas niedriger. Wir haben zwar die ersten 20km nach dem Mittag in einem 35ger Schnitt auf den Asphalt geknallt. Dem haben wir super schnell abgeschworen. Also noch 100km mit dem kleinen Ziel für mich vorne den Schnitt zu halten und hinten trotzdem zusammenzubleiben.

Jetzt kommen wir aber zu dem, was mich am meisten auf diesen mehr als 400km „geprägt“ hat: Der Etsch-Radweg. Und zwar nicht die ersten 20km davon, auch nicht die ersten 40 oder die ersten 2 Stunden. Sonder die Zeit in der dieser Radweg immer länger und länger wurde. Es sah einfach alles gleich aus.

Auf dieser Strecke waren wir dann doch über jede kleine Pause froh. Selbst als wir jemanden mit einem eigentlich größeren Leiden – dem dritten Platten bei nur zwei Kartuschen geholfen haben – waren wir sehr froh anzuhalten. Diesen Zeitpunkt an dem die Beine noch da sind, aber der Kopf langsam abschaltet, hatte ich schon länger nicht mehr so hart gehabt. Würde ich ein Buch über Mental-Training schreiben müssen, dann würde ich das als Beispiel anführen, wie man seinen Kopf wirklich trainieren kann. Fahr 300km normal (was schon schwer für den Kopf ist) und dann 100km auf der gleichen Strasse mit Gegenwind. Ein Kommentar, welcher mir von diesem Stück im Kopf geblieben ist: „Mich freut es, dass auch du endlich mal an eine Grenze vom Kopf her kommst“. Naja, wenn 100km so aussehen wie das folgende Bild, dann wirst du schon etwas Blau im Kopf.

Die Erlösung

Die Erlösung für mich kam knapp 20 Kilometern vor dem Ziel: Abbiegen vom Radweg auf eine andere Strasse. Dann habe ich gemerkt, dass es wirklich nicht mehr weit ist. Davor hatte ich einfach den Kopf ausgeschalten, meine Runden vorne in der Gruppe gemacht und dann versucht so einfach wie möglich hinterher zu rollen. Deshalb gibt es auch nicht viel zu sagen. Das Abwechselungsreichste war, dass ein LKW-Fahrer auf der parallel verlaufenden Autobahn einmal unseren 5er Zug winkend angehupt hat. Aber das war es auch schon.

Nachdem es vom Etsch-Radweg runter gegangen ist, waren es auch nur noch ein paar Kilometer bis zur nächsten Tagesmarke: 400km. Nach etwas mehr als 13 Stunden hatte ich auf meinem Wahoo die 400km. Die anderen mit Garmin und Suunto hatten alle noch ein paar KM vor sich. Da scheint die ein oder andere GPS-Ungenauigkeit zwischen den System sich aufsummiert zu haben. 400km. Wenn mir das jemand nach meiner ersten 200k Fahrt dieses Jahr gesagt hätte, ich hätte es eher nicht geglaubt. 

Und jetzt gab es nur noch eines zu tun: Runter an den See zu rollen. Ein letztes schönes Foto durch die Weinberge im Norden des Gardasees und schon konnten wir das Wasser sehen. Am Ende hatte ich 408km mit 3800hm auf meinem Wahoo stehen. Basierend auf den Garmins waren es wohl eher 404km und 3300hm von Immenstadt bis Torbole. 

Statistik des Tages

Die Bilanz des Tages bei mir kann ich nur noch grob zusammenfassen, weil ich mal nicht so genau mitgezählt habe. Aber ungefähr sind das die Zahlen:

  • 1.5 Liter Wasser
  • 1.5 Liter Cola und davon 750ml in der Mittagspause
  • 1.5 Liter ISO
  • 2 Flaschen mit Maurten Mischung

Soweit zu den Getränken. Mein Frühstück bestand um 2.30 in der Früh aus 3 Semmeln mit Honig und Nutella. Mittags gab es eine größere Portion Nudeln, welche leichte Bauchschmerzen auf den ersten 30km nach der Pause brachten. Wahrscheinlich habe ich 10-12 Gels und 2 Riegel über die ganze Zeit verteilt genommen. Dazu noch ein Schoko-Hörnchen beim Bäcker um 10. 

Zur Fahrt selbst: Ich bin am Ende mit einem 30.4 kmh AVG angekommen. Dabei habe ich die 9 Pausen herausgestoppt. Die längste Pause war sich in Meran am Bahnhof. Am Nachmittag wurden die Pausen kürzer, aber dafür ein paar mehr als am Vormittag. Laut Strava habe ich 175 Watt Avg und 198 NP, dabei kein einziges Segment auf der ganzen Tour geholt. Aber den Ortsschild-Sprint am Oberjoch habe ich aus Unkonzentriertheit der anderen solide gewonnen (was nur ein Gag für die gute Stimmung sein sollte).

Jetzt bleibt mir mit folgendem Bild nur eines noch zu sagen: Danke, dass ihr mich mitgenommen habt und ich mit euch zusammen an den Gardasee fahren durfte. Grüße gehen raus an Tobi, Max, Basti, Simon und Supporter Sven. Es war mir eine Ehre. Und wie ausgemacht in 5 Jahre wieder. Da werde ich dann einfach 500km am Abend vorher vorschlagen. Aber erst in 5 Jahren, versprochen. 

Bis dahin kommen aber hier auf dem Blog auch sicher noch Posts über die ein oder andere verrückte Sache von und mit mir. 

Tom Hohenadl