Es ist viel Zeit die Donau runter geflossen und viel Wasser vergangen. Auch am Baggersee von Ingolstadt ist das passiert seitdem ich mein erstes Rennen nicht mit dem Finish beendet habe. Nicht vierter, nicht vierziegster, nein. In der Ergebnisliste meines ersten A-Rennens von 2022 steht hinter meinem Namen: DNF.
Das DNF ist mein erstes Triathlon DNF bisher. Seitdem ich vor 7 Jahren in Ingolstadt meinen ersten Triathlon gestartet habe, habe ich auch jeden mit einem Finish beendet. Einmal mit Sturz und aufgeriebener Hüfte, einmal mit Platten, aber meistens doch mit dem für mich perfektem Ergebnis. Was führte jetzt dazu, dass ich in Ingolstadt nur um den See gejoggt bin und dann bei meiner Freundin das Rennen habe Rennen sein lassen.
Der Ursprung des Übels
Dafür muss ich nochmal bis vor Riccione ausholen. Durch mehrere verschiedene, an sich kleine, Ereignisse hat mein Knie sich dazu entschlossen eine Entzündung zu bekommen. Bis zum Rennen in Riccione hat es noch geklappt und der Halbmarathon lief fast einwandfrei. Nur am nächsten Tag war Gehen schon ein Problem. Entsprechend habe ich mich seit Riccione mit Laufkilometern zurückgehalten und war nie an meinem normalem Pensum. Auch in der Liga habe ich bis auf die 2x3km kein Run-Warm Up oder Cool Down gemacht. Und bis Ingolstadt habe ich auch jede geplante Laufeinheit gestrichen oder abgebrochen. Die Hoffnung der letzten Wochen war, dass es wie in Riccione funktionieren kann.
Die Race-Week der Deutschen lief sonst perfekt. Auch beim Schwimmen und Radfahren hat die Form steil nach oben gezeigt. Meine Zeit im Pool waren fast 3-5 Sekunden schneller als letztes Jahr vor dem Rennen am Walchsee. Auf dem Rad hatte ich die Frühform aus Januar und Februar noch mitgenommen und etwas gesteigert. Also hier standen alle Vorzeichen auf Vollgas.
Ingolstadt 2022
Und so ging es für mich auch nach Ingolstadt. Ich habe mich persönlich dazu entschieden, dass ich erst am Sonntag einchecke, da es für mich doch logistisch etwas einfacher war. So konnte ich am Samstag erst spät meine Aktivierung (nur auf dem Rad) fahren. Mit der gleichen Pizza wie letztes Jahr vor Ingolstadt ging es dann auch ins Bett. Entsprechend hatte ich die gleiche Vorbereitung wie 2021 auf das Rennen.
Nur 2022 sollte die Nervosität eigentlich höher sein. 2021 war ich einer der Favoriten für das Rennen. 2022 sollte mein Name erst nach einer illustren Liste an Profis und sehr guten Amateuren kommen. Das kann im Pushing Limits Podcast oder auch der Ankündigung von Profis der Veranstalter gut nachvollzogen werden. Klar wollte ich dann aber meine Ziele hoch stecken und war mit Verbesserung meiner Pace in allen 3 Disziplinen ins Rennen gegangen. Für welchen Platz das reichen könnte: Vielleicht Top 5, aber zufrieden wäre ich sicher auch mit Top 10.
Es war mental eine komische Situation. Zum einen hatte ich Probleme und zum anderen wollte in dem Feld zeigen, wo ich meinen Platz habe, mein Rennen machen und definitiv auch vor Profis oder Kaderathleten landen.
Lets dive in: Das Schwimmen
Am Ende kam es ja anders und damit komme ich zum Rennen. Das Setting und die Bedingungen sind bereits an jeder Ecke diskutiert, kommentiert und bewertet worden. Für mich war es ein Grund mehr, warum Ingolstadt sich im Rennen zu einem noch größeren A-Rennen gemacht hat. Die Bedingungen waren hart, das Wetter war grenzwertig und die Konkurrenz war vom Schwimmen weg stark. Ich hatte mich neben den vielen guten Schwimmern auf die rechte Seite gestellt. Im Vergleich zu Riccione bin ich nicht gestolpert oder zu früh los geschwommen, aber habe mich etwas zu schnell in ein Wohl-Fühl-Race-Tempo sortiert. Die sehr guten Schwimmer waren von Anfang auf und davon, aber die zweite oder dritte Gruppe hätte ich anhand meiner Beckenzeiten vielleicht halten können. Das hat dann, durch das zu frühe einsortieren, aber nicht geklappt. So war ich am Ende der vierten Gruppe. Aber selbst hier war für mich gut Arbeit zu tun, damit ich nicht wie ein Kirschkern ausgespuckt wurde. Alleine wäre ich mit der gleichen Anstrengung aber wahrscheinlich eine wenig langsamer geschwommen. Also doch alles gut gemacht, nur für den Start kann ich noch etwas Tempohärte bekommen.
Raus aus dem Wasser konnte ich auf dem Weg zum Rad nichts gutmachen, aber durch einen schnellen Wechsel war ich der erste aus unserer Vierergruppe auf dem Rad. Am Radaufstieg stand mein Coach und je nach Abstand wäre ich härter oder konstanter Radgefahren. Nach ganz vorne zu Willy Hirsch und Thomas Ott waren es bereits 3 Minuten. Wie gesagt, gute Schwimmer vornweg. Also ging es für mich konstant los. Auf dem Weg in die Stadt habe ich noch einen einzelnen Starter eingeholt und dann für mich den Rhythmus gefunden. Sowohl nach vorne als auch nach hinten hatte ich einigen Platz.
Radfahren
Erst als bereits 30 Minuten auf dem Rad vergangen waren, hatte ich Maximilian Rohde und Stefan Betz in einigem Abstand hinter mir gesehen. Sie kamen aber stetig näher und das obwohl ich bis dahin 295 Watt NP auf dem Tacho hatte. Beim Wendepunkt waren es nur noch Sekunden und als der erste Monsun über das Rennen zog zogen sie an mir vorbei. Zu dem Zeitpunkt hatte ich dann nochmal etwas Gas geben und warn bei 299 Watt NP angekommen. Auf dem Weg in die Stadt habe ich mich in der Gruppe eingefunden und wir haben uns regelmäßig und sehr fair abgewechselt. Das Ziel vor uns: Nick und Nick. Denn als wir in die Stadt gefahren sind hatten wir die beiden Pushing Limits Hosts direkt vor uns. Auf dem Weg zum Wendepunkt sind die andern beiden vorbei und ich musste wegen einer Kurve eine kleine Lücke reisen lassen. Da bin ich dann an Nick Staggenborg vorbei und hab mit fast 450 Watt etwas mehr als erlaubt gedrückt. Nachdem ich kurz vor dem Wendepunkt wieder den Anschluss hatte, ging es wie auf der ersten Runde weiter aus Ingolstadt heraus.
Bereits zu diesem Zeitpunkt zahlten meine Finger und Zehen dem Wetter Tribut. Die Zehen werden schon wieder warm in den Laufschuhen dachte ich mir, aber ich machte mir mehr Sorgen um meine Finger. Bremsen ging und Schalten konnte ich über meine Knöpfe an den Extensions, aber wie sollte ich ohne irgendeine Bewegung bzw. Kraft in meinen Fingern in meine Schuhe kommen; noch in das Paar Asics, welches ich extra für die Liga etwas enger geschnürt habe. Ich habe nach meinen Führungen immer versucht meine Hände durch Reinpusten etwas aufzuwärmen. Vergeblich.
Durch den Regen, die Konzentration auf die vorausfahrenden und meine Hände habe ich vom Chaos auf der Radstrecke mit dem vielen DNFs gar nicht mitbekommen. Erst als wir am Zubringer zum See angekommen waren und zu T2 fuhren, wurde das Ausmaß sichtbar. An der Kurve von der Strecke zum See standen bereits 10, vielleicht 15 Athletinnen und Athleten in Wärmedecken oder dieser Silber-Goldenen Folie. Und ehrlich: Ich war auch froh, dass ich vom Rad runter konnte und dieser Kampf gegen Kälte und Nässe vorbei war.
Kalt nach vorn gearbeitet
Am Ende habe ich vor T2 meine Finger aber durch das bisschen Pusten nicht warm bekommen. Andere hatten es besser und ihnen gelang der Wechsel auch deutlich schneller. Ich bin als erster unserer Gruppe in die Wechselzone, aber mit Abstand als letzter raus. Zum einen, weil ich mich kurz für Socken entschieden hatte, diese aber nicht über meinen Fuß brachte und zum anderen, weil ich in meinen verdammten zweiten Schuh mehrmals nicht reingekommen bin. Am Ende, nach gut einer Minute vergeblichen Drückens, schlüpfte auch der Fuß in den zweiten Schuh hinein. Die Zunge unter den Schnellschnürsenkeln sah aber eher wie ein zerknüllter Müllbeutel aus. Aber da dachte ich mir schon: AH, wenn die Finger warm sind und es mich so sehr stört, dann richte ich es später nochmal, bevor ich noch weitere Zeit verlor.
Aber am Ende war das auch egal. Ich schnappte mir noch meine Gels, meine Cap und wollte los auf die Laufstrecke. Der Risikoteil des Tages also. Bis dahin war es meine beste Swim-Bike Kombi. Etwas über 25 Minuten auf den in Ingolstadt meist sehr gut ausgemessenen 1900m und dann 295 Watt NP auf der mir absolut zusagenden Drückerstrecke mit 43.5 kmh AVG. Ein Traum. Genauso traumhaft war auch die Ausgangsposition, in die Sich die Radgruppe vorgearbeitet hatte. Vor uns waren noch Willy Hirsch und Thomas Ott.
Mein Schuh, ich und wie ich da rein komme
Also bin ich auf Platz 6 liegend aus der Wechselzone und auf die Laufstrecke. Mit zu kalten Fingern habe ich noch versucht die Gels in die Einteilertaschen zu bekommen, aber selbst das war zu dem Zeitpunkt eine Herausforderung.
Erst als ich vom Teppich der Wechselzone auf die Wiese und dann auf den Kies gewechselt habe, hat sich das genommene Risiko nicht belohnt. Von da an habe ich keinen Druck in die Schuhe bekommen und schon das verdächtige Zwicken. Also erstmal „langsam“ rantasten. Dann nach ein paar „Limping-Lionel-liken“ Metern der erste Versuch: Ab auf das Renntempo, ab an das angestrebte Ziel, denn die Beine waren definitiv da. Aber ohne Schmerzen war heute nicht. So habe ich es noch zwei weitere Male auf dem Weg zur Rundstrecke versucht. Beide Male leider mit dem gleichen Ergebnis. Das die ersten beiden auch an mir dann vorbei sind, machte meine mögliche Entscheidung einfach: Ich wusste, dass meine Freundin und mein Kumpel Stefan (von dem auch die grandiosen Bilder sind) wieder zwischen Baggersee und Rundstrecke stehen. Wenn das Knie bis dahin hält, dann ziehe ich durch. Wenn es nach diesen 4km immer noch schmerzt, dann konzentriere ich mich aufs Gesund werden.
Und um es kurz zu machen: Aquajogging ist mein neuer Freund auf dem Weg dahin, dass ich hoffentlich am 17.9. in Italien fit meine dritte Langdistanz in Angriff nehmen kann. Bis dahin muss ich die Entzündung zwischen Knie und Tractus auskurieren und dann wieder mit dem Laufen anfangen. Die letzten Tage seit Ingolstadt waren eh Pause eingeplant und jetzt wird der Formaufbau vor allem im Becken und auch Freiwasser gemacht.
Es hat sich auch trotz viel Bedenkzeit vor dem Rennen, den 4km Testen und dem sofortigem Trösten, extrem scheiße angefühlt. Es war das Feld und das Rennen in dem ich zeigen konnte, was gehen kann und wo ich mit Form, Material und einem bis dahin sehr gutem Tag unterwegs bin. Ich bin kein Fan von Aussteigen und ziehe gerne Dinge durch bis ins Ziel. Oder im Training bis zur Grenze des Möglichen. In Ingolstadt war das Mögliche leider nicht durch Watt, Wetter oder Wille begrenzt, sondern durch beschissene Knieschmerzen. Mittlerweile kann ich damit umgehen, dass ich ausgestiegen bin und weiß auch, dass mein Knie eigentlich im MRT anders aussehen sollte.
Respekt
Respekt an dieser Stelle an alle die das Rennen in Ingolstadt ins Ziel gebracht habe. Der gleiche Respekt an alle die bei den Bedingungen ausgestiegen sind und das Rennen beendet haben. Ich hoffe, dass das Team und Gehard Budy aus diesem Jahr die Erfahrungen mitnimmt und kommendes Jahr auch mehr Glück mit den Bedingungen hat.
Meine Erfahrung ist, dass DNFs weh tun. Wörtlich. Und damit verabschiede ich mich aus diesem langem Blog zum leider nicht geplant langem Rennen in die Recovery und Wiederaufbau-Phase. Danke fürs Lesen, Bleibt Gesund und fit, Tom
Stark Tom und Kopf hoch. In Italien wird wieder angegriffen
Hey Tom, trotzdem starkes Rennen. Und jedem DNF muss man auch Respekt zollen. Danach kommt man meist gestärkt zurück. Ich selbst hatte letztes Jahr beim IM Frankfurt ein DNF wegen plötzlich auftretender Kopfschmerzen auf dem Rad. Aber für mich war es irgendwie ein Glücksfall, da ich danach vieles in Frage gestellt und geändert habe. Dadurch kam der Spaß am Triathlon zurück. Von daher, wer weiß wofür es gut war. Vielleicht hat es doch vor einer noch schlimmeren Verletzung bewahrt.
Viele Grüße