180km Regen-Runde im Süden Tallinns
Back to business. Damit ich die kleinen Details nicht vergesse fange ich schonmal an über das Radfahren zu schreiben. 180 Kilometer sind schon lang und werden für die Vorbereitung die zweit längste (von der KM Distanz, nicht der Zeit) Radfahrt des Jahres. Nur einmal bin ich über 5.5h 180km im Training gefahren. Sonst waren es meist Runden mit 5 Stunden Fahrzeit und weniger Kilometern. Danke hier an den Schnitt und das Material, dass es möglich macht mit knapp 40 über die Strecke zu fliegen. Material und Materialwahl habe ich euch bereits in den vorherigen Posts gezeigt. Jetzt will ich darüberschreiben, wie ich nach dem erfolgreichen Aufsprung auf das Rad gefahren bin.
Etwas Rückenwind zum Anfang
Das erste auf dem Fahrrad war die Ärmel richtig hinzuziehen. Das ist mit dem Nassen Suit immer etwas schwieriger und da es nicht gerade trocken werden sollte, habe ich mich lieber direkt dran gemacht. Dazu gab es direkt ein Gel aus dem Beutel, welches gut hier im Mund war, weil die ersten Kurven relativ schnell da waren. Somit habe ich die ersten 5 Minuten der Radstrecke mit Anzug sortieren und Gel nehmen verbracht. Nachdem das alles fertig war ging es ans Radfahren. Bis auf ein Überholvorgang nach knapp 5 Kilometern waren die ersten 50 Kilometer sehr einsam. Die Spitze eines Ironman ohne Kamera oder Begleitmotorräder auf gesperrten Straßen ist fast so monoton wie Rolle fahren. Nur auf die Kurven alle paar Kilometer und den Seitenwind musste ich aufpassen. Der kam frisch, mal wieder, von Rechts.
Aber der Segeleffekt auf die erste Stunde hat richtig Spaß gemacht, so dass ich knapp 41 kmh für die ersten 40km auf der Uhr hatte. Inklusive dem ersten 3km Stück mit kräftig Gegenwind (270 Watt, 32kmh). Hierfür hatte mein Coach mir am Abend vorher bei Pizza und Sprite noch gesagt, dass unsere Race-Pacing-Strategie nicht mehr auf Geschwindigkeit geht, sondern ich mich wirklich auf Gegen- und Rückenwind einstellen sollte. Je länger das Gegenwindstück, desto näher an der geplanten Leistung sollte ich fahren. D.h. selbst wenn ich nur 25kmh fahre, aber das Stück 20km lang gewesen wäre, wäre ich nicht signifikant von meiner Zielleistung abgewichen. Gesagt, getan! Am Ende bin ich bei 245 Watt AVG und 251 NP rausgekommen. Das Ziel war: 250 Watt. Soweit so gut.
Schönheitskorrekturen auf dem Fahrrad
Nur ein paar kleine Schönheitsfehler haben mir dann den 40ger Schnitt „verregnet“. Durch die Temperatur konnte ich meine Trink-Strategie (Ihr seht schon: Material-Strategie, Pacing-Strategie, Trink-Strategie – Sehr Strategisches Rennen) nicht voll umsetzen. Denn die geplanten drei Liter Flüssigkeit wollten wieder raus. Nicht durch den Schweiß sondern über den Weg der Blase. Bereits nach 60km habe ich germerkt: OUH HA, das könnte kritisch werden bis WZ2. Nach 80 KM und da ich nicht aufhören konnte zu Trinken, da ich sonst zu wenig Carbs aufnehme, musste ich anhalten und aufs Dixi in der Verpflegungsstation. Das ganze ist mir leider bei KM 140 nochmal so ergangen. Ja. Den Tipp mit „Einfach laufen lassen“ habe ich in den letzten Tagen bestimmt so oft bekommen, wie ich mir das Finish-Line Video angesehen habe. Das war sehr oft 😉 Entsprechend habe ich auf der Radstrecke zwei Mal kurz für angehalten und somit den 40ger Schnitt (Strava sagt 39,8) mir etwas „versaut“. Die knapp zwei Minuten wären sicher schön und vermeidbar gewesen, aber so ist eben Langdistanz-Triathlon. Und wenn es sich ergibt und ich es schaffe, dann Trainiere ich das Pinkeln auf dem Rad für das Rennen. (Sogar der Tipp mit auf der Rolle üben war dabei!)
Die Klo-Pausen waren zwei Faktoren für die etwas wilden Tracker-Splits von mir. Die weiteren waren der geplante Stopp für die Special-Needs (Aero und 1L Flasche) und der führende, welcher anscheinend ab dem Wendepunkt der Radstrecke keine Energie mehr hatte. Somit habe ich mich von Platz 5 auf 2, dann wieder zurück auf 4 und am Ende auf Platz 2 gearbeitet. Das ich den Briten noch einhole hätte ich nicht gedacht. Wir sind zwar einmal für ein kurzes Stück zusammen (nach den Regeln) gefahren, aber er hat mir dann vor meiner zweiten Klopause doch zu sehr aufs Gas und mir der Urin auf die Blase gedrückt. Deshalb habe ich da nochmal ein paar Sekunden federn lassen. Das ich am Ende doch nur ein paar Sekunden hinter ihm in der Wechselzone war, schiebe ich auf die Fahrkünste von mir. Denn die letzten 5km gingen über einen Parkplatz, durch einen Park und dann noch ein paar Kurven zur Wechselzone 2. Aus den 30 Sekunden wurden schnell 20 und mit den letzten beiden Kurven 5 Sekunden. Somit sind wir zusammen in T2 angekommen.
Gewalt ist eine Lösung - Aber manchmal nicht die beste
Einer der weiteren kleinen Schönheitsfehler der Radrunde und definitiv etwas, dass so nicht passieren darf ist, dass ein Auto (wie bei Frodo in Roth) bei KM 176 in der Stadt auf die Straße gefahren ist. Nach so schönen 176km mit wirklich jeder kleinsten Straße durch Streckenposten abgesperrt – selbst mancher Feldweg – war ich etwas angefressen. Dabei ist mir der Finger ausgerutscht und ich war sichtlich sauer. Das soll nicht meine Art sein und sollte jemals der Autofahrer das hier lesen: Es tut mir leid.
Aber war trotzdem eine ziemliche Scheiß Aktion einfach hinter dem Führenden auf die Straße zu fahren und nicht zu schauen, ob da vielleicht noch einer der 1200 Finisher kommt.
Zum Glück passierte dann auf den letzten 2 Kilometern (Strava-Upload der Einheit sagt 178k, Link hier) nichts mehr. Zusammen mit dem Führenden sind wir in T2 gerollt und der Wechselspaß ging los. Zuvor erklärte Mark mir direkt, dass er nicht laufen könne und ich da keine Angst haben soll. Mein Fokus war erstmal die Laufschuhe aus meinem Beutel zu bekommen und dann die Aussage auf den Wahrheitsgehalt zu testen. Die Schuhe habe ich wie geplant aus dem Beutel gezogen und angezogen. Dann kam der zweite Stress Moment: Das Team hat meinen Beutel zu eng für meinen Helm zu geknotet. Ich habe alles raus, aber meinen Helm erstmal nicht rein bekommen. In der Hektik des Moments und der Gewaltaktion meinen Helm in den Beutel zu pressen, habe ich die Hälfte meiner Verpflegung (5 Gels im Trinkbeutel) vergessen. Der Helm ging dann rein, ich hatte 3 Gels im Einteiler und meine Cap auf. Das ich den Trinkbeutel vergessen habe, hatte ich nach 150m am Ende der Wechselzone gemerkt. Ich habe kurz überlegt, dann entschieden, dass ich weiterlaufe. Ich hatte noch 3 Gels plus noch 400ml Maurten im Run Special Needs-Beutel. Außerdem hatte ich mit den Gels von Enervit geübt und keinen schlechten Magen bekommen. Und wenn wären diese nur für die letzte Stunde notwendig gewesen.
Und so ging es raus auf die noch sehr leere Laufstrecke und ich war sichtlich Happy ein paar bekannte Gesichter nach knapp 3 Kilometern zu sehen. Aber mehr dazu im nächsten Blogpost. Danke fürs Lesen.
Servus, ich heiße Steffen Ehrlich und bin heuer für den IM Tallinn angemeldet um eine lang erträumte Hawaii-Quali zu lösen. Vielen Dank für deine Einblicke! Ich finde sie sehr Interessant und hilfreich! Da ich etwas stärker gebaut bin und Radfahren meine absolute Stärke ist, habe ich mir deshalb extra den IM Tallin rausgesucht und mich würden noch ein paar Details zur Radstrecke brennend interessieren! Wäre sehr schön wenn du mir ein paar Fragen beantworten könntest. Ist die Strecke wirklich so flach? Wie ist der Straßenbelag und der Zustand der Strecke, rollt sie gut, gibt es Schlaglöcher? Ist sie Technisch anspruchsvoll mit vielen Kurven oder einfach?
Vielen Dank im voraus
Viele Grüße
Steffen
HI Steffen, freut mich, dass du hier mitliest. Tallinn ist technisch das Gegenteil von Anspruchsvoll. Du hast auf der Runde 2x 180 Grad Wenden und sonst nur gut einsehbare, flache Kurven und kaum Höhenmeter. Schlaglöcher selten, manchmal ist der Asphalt etwas raus. Und ja: Die Strecke ist wirklich so flach. Bei mir auf Strava in der Einheit zum IM Tallinn ist das Höhenprofil (und mein Wahoo misst eher mehr HM als Garmin Geräte). VG Tom