Gedanklich ein kuzer Sprung zurück. Wir haben uns eingebadet in der Adria, sind raus gesprintet und haben uns die Startnummer, den Helm und ein Gel geschnappt. Dann habe ich euch damit abgeholt. Und wenn ihr euch nicht abgeholt fühlt, dann empfehle ich euch die letzten beiden Blogpost zur Vorbereitung und dem Schwimmen beim Ironman Italien.
Raus aus der Wechselzone
Ich laufe, keine Ahnung mit welcher Pace in Richtung Fahrrad. An den Tagen davor haben Stefan und ich ausgekundschaftet an welchen Gebäuden oder Schildern ich mich am besten beim Fahrrad suchen in der mind. 500m langen Wechselzone orientieren soll. Am Ende waren es ein Hotel rechts und zwei Schilder von Strandbars auf der linken Seite. Nachdem ich die Startnummer dann über den Kopf, die Schultern runter gebracht habe, hatte ich noch nicht mal die Hälfte bis zum Rad erledigt. Links außen überholte mich dann ein Starter aus unserer vierer Schwimmgruppe und musste sogar noch weiter nach vorne als ich. Bei den Schildern der Strandbars angekommen war es ein leichtes mein Rad zu finden: Das einzige mit orangenem Band an den Extensions. Den Sattel kurz nach hinten, etwas quergestellt und los ging es die restlichen Meter aus der Wechselzone.
Unspektakulär war dann der Aufstieg, außer das selbst beim Ironman alle so schnell wie möglich in die Schuhe wollen, obwohl sie noch die gleiche Geschwindigkeit wie beim Laufen haben. Der Herr, welcher mich in der Wechselzone überholt hatte, hat seinen kleinen Vorsprung auch gleich wieder verloren, da er mit gefühlten 15kmh die Schuhe angezogen hat, statt erstmal ein paar Tritte zu machen. Ich hab meine Füße sicher erstmal auf die Schuhe gestellt und ein paar Tritte gemacht. Und auf einmal kommen ganz Laute Rufe nach „TOM! TOM!“. Am Straßenrand stand aber wirklich kein Gesicht das ich kannte. Erst kurz bevor ich ganz vorbei war habe ich gemerkt, dass auf einem Balkon direkt an der Strecke Freunde standen, welche am nächsten Tag bei der Mitteldistanz unterwegs sein sollten.
Aber genug Fans für die nächsten 100 Minuten. Im Zick Zack ging es raus aus der Stadt und auf dem ersten längerem Stück gab es das Gel. Carb Counter: 28g. Rechts, Links, Kreisverkehr. Und dann endlich auf die Straßen außerhalb von Cervia. Direkt gerade raus, etwas Wind von vorne und meine Race-Watt mit den Beinen abgestimmt. Am Anfang hatte ich mich direkt gut gefühlt, dass heute die Beine doch besser performen könnten als es die, vor allem, mentalen Rückschläge haben erwarten lassen. Aber ein wenig Wind auf der Strecke zur Bundesstraße sagte dann relativ schnell: Nein, Tom, das wird heute schwerer als erwartet. Denn mein Ziel waren 260-270 Watt zu fahren, aber mein Puls sagte eher 250 Watt an. Etwas übermütig, was grundsätzlich keine so gute Idee für eine Langdistanz ist, habe ich trotzdem versucht mich am oberen Bereich meiner Wattvorgabe zu halten. Auch war ich mittlerweile alleine vorne raus und auf der Verfolgung von Amateur-Platz 1.
Ein erstes Update
Nach 10km saß Stefan im Straßengraben und hat ein paar wirklich schöne Fotos gemacht und mir etwas zugerufen. Vor lauter Zahlen und schnell Fahren habe ich aber nur Platz 1 ist 1 verstanden. Kurze Rückfrage: „WIE VIEL?“. Also alles in Caps, weil ich wirklich geschrien habe. Stefan hat mir danach gesagt, dass er mir den Abstand auf Platz 1 durchgerufen hat. Ich hatte ja genügend Zeit auf der Strecke darüber nachzudenken. Es waren noch 170km bis zur T2.
Bis zur Bundesstraße ist nichts weiter passiert. Auch die Auffahrt war wenig spektakulär, außer, dass ich den ersten Profi auch auf dem Fahrrad überholt hatte. Also nicht nur beim Schwimmen schnell, sondern auch mein Radsplit musste wohl sehr gut sein. Aber ich war auch noch 10 Watt über meiner Vorgabe und das merkte ich auch. Am Nachmittag vorher habe ich mit zwei Erst-Startern gesprochen und der beste Tipp, welchen die beiden bekommen hatten war, dass die ersten 60km sich eher zu locker anfühlen sollten. Da musste ich dann nach knapp 40 Minuten Radzeit dran denken und einen Tritt kürzer gehen. Auf der Bundesstraße, also dem 20km Flachstück ohne Aufrichten und nur in Aero Position, kamen mir dann die Profis entgegen. Mit Freude kam besonders Finn Große-Freese mir entgegen. Seit Ingolstadt 2021 haben wir hin und wieder geschrieben und wussten, dass wir beide in Cervia performen wollten. Er war in der ersten Gruppe mit dabei und sah sehr entspannt aus. Wir haben beide sogar gewunken. Was man in einem Ironman halt so macht, wenn man viel gerade aus fahren darf. Das war auch schon das Highlight wieder auf dem weg raus zum Wendepunkt. Da einmal rum um die Kurve und wieder zurück. Und wie das zurück sein sollte: 20km Zwiften. Wirklich. Wie auf der Rolle fahren. Man kann keinen Tritt auslassen, da sofort der Speed weg ist, aber auch nirgends mal einen Meter rollen lassen. Es war zwar wirklich leicht wellig, aber so, dass man es weder hoch noch runter bei der Trittfrequenz gemerkt hat. Zumindest ich nicht. Hier mal 1-2 Gänge runter oder wieder hoch, aber sonst immer das gleiche. Daher meine schwere Empfehlung für alle Italienstarter 2023: Fahrt einfach Rolle in TT Position und das so 4×45 Minuten mit maximal 5 Minuten Pause. Das härtet euch für die Strecke ab.
Vor auf Platz 1. Im Amateurfeld.
Aber zum Ende der 20km sollte es dann doch noch etwas spannender werden, da auch die eine Minute Vorsprung auf einmal verflogen ist. Mathew war dann auf einmal vor mir. Und Andrej Vistica (Pro) kam von hinten und war dann auch auf einmal mit im Spiel. Und schwupst: Platz 2 in einer schönen 3er Gruppe. Also zumindest am Anfang als wir dann den Weg runter von der Bundesstrasse gemacht haben. Andrej vorne weg, ich dahinter und dann Mathew und so ging es zum Anstieg. Da ich immer noch dachte, dass ich überragend gute Beine habe, bin ich bis zum Anstieg auch noch zwei Mal für einige Minuten vorne gefahren, damit wir den Speed in der Gruppe hochhalten würden. Und das haben wir auch geschafft.
Aber hier, weil es zeitlich einfach am besten passt, muss ich einen kurzen Rant zu den Verpflegungsstellen machen: Wie glauben die denn in Italien bekommt man Wasser entweder getrunken oder umgefüllt, wenn nach 20 Metern hinter der Verpflegungsstation das Litering zu Ende ist. Bei einer Station, ziemlich am Ende der Runde, ging es gut. Aber bei den anderen beiden? Keine Chance da schnell genug die Flasche leer zu bekommen. Also habe ich, obwohl ich beim Testen keine Verbesserung gemerkt hatte, die Flasche vorne in den Einteiler reingepackt. Zwei Mal, weil ich einfach kein Litering riskieren wollte. Auch so bei der Verpflegung in dem kleinen, netten Örtchen, wo wir über den Stadtplatz drüber gerauscht sind. So, Aufregen vorbei, wieder ins Rennen.
Von Risiko und drüber gehen.
Angekommen am Anstieg sind die beiden einfach los gestiefelt. Abfahrt hoch den Hügel. Ich hatte mein oberes Limit bei 330 Watt und selbst das hat absolut nicht gereicht, um dranzubleiben. Andrej hat mir im Ziel dann gesagt, dass er knapp 350 gefahren ist. Und da sah ich ein wenig meinen Expresszug für die Restlichen 120 wegfahren. Ähnlich wie beim Schwimmen war es dann natürlich erstmal blöd, aber die Speicher über 330 anzuzapfen, würde das ganze System einfach zu sehr ins Defizit bringen. Also so gut wie es geht kontrolliert und mit ~310 Watt hoch. Aber, auch hier mein Glück: Etwas Risiko in Abfahrten zu gehen habe ich auch im Allgäu gekonnt. Und das war mein Plan als ich die beiden anderen in der ersten Kurve noch rumfahren gesehen habe. Anstatt also vom Gas zu geben bin ich etwas drauf geblieben. Und ich kam näher. Am letzten langen Stück sah ich einen Fahrer vor mir. Nice. Direkt wieder dran an den beiden. Aber nur einer? Ja, soweit hatte ich in dem Moment gar nicht gedacht. Das war der Agegroup führende, der, welcher bisher hinter mir auf Platz drei der Gruppe war. Und jetzt kommt der Teil aus dem letzten Blog, bei welchem ich meinte, das wird noch relevant. Pro Andrej hat die Abfahrt etwas besser gemeistert und 100m Vorsprung rausgefahren. Mein Pech als ich dann bei Mathew angekommen war und es erst da gemerkt hatte. Dann musste ich wohl den Berg an Watt jetzt auch in der Ebene fahren. Ein wenig Kurven Risiko bin ich auch gegangen. Abzweig 1 und vorbei wieder auf Agegroup Platz 1. Kreisverkehr 1 und direkt Druck aufs Pedal. Kreisverkehr 2 und dann Andrej wieder gesehen. Immernoch bei 300 Watt auf dem Tacho. Ich war bereit das Risiko nicht nur in den Kurven, sondern auch bei der Leistung zu gehen. Eine Unterführung mit kurzem Gegenanstieg und wir, ja. Mathew, welcher vorher noch die Lücke hat reißen lassen, ist drangeblieben. Und wir waren wieder zu dritt. Das hat mich dann doch ein wenig Mental frustriert, weil ich dafür extra deutlich über meinem Plan war. Smart gemacht von ihm, etwas frustrierend für mich, aber trotzdem das Beste aus der Situation gemacht: Expresszug Andrej war wieder in Windschattendistanz.
Ich wollte nur dranbleiben
Und dabei blieb es auch. Denn er fuhr genau die 270 Watt, schätze ich, welche ich gerne am perfekten Tag fahren wollen. Aber wie oben bereits geschrieben: Mein Puls war dagegen. Also klebte ich mit meiner Meinung nach immer fairen Abstand am Hinterrad, also die 10-12 Meter je nach Mess-Art. Auch die 20km runter zum Wendepunkt auf der Bundesstraße ohne Aero-Pause und danach die 20km wieder hoch. An der Verpflegungsstation auf dem Weg zum Wendepunkt konnte ich dann endlich das Trinkssystem auffüllen, eine alte Flasche loswerden und auch die neu gegriffene Flasche noch im legalen Bereich loswerden. Bei der Verpflegungsstation darauf habe ich kurz mit dem Finger ins Trinkssystem gefühlt und es war noch genug drin. Andrej auf 1, Tom auf 2, Mathew auf 3. Aber ich glaube, dass er in der Verpflegung eine Flasche gegriffen hat und dann weg war. Der Verkehr nahm zu und wir waren nur noch zu zweit. Frust verflogen, dass ich einfach so noch einen anderen Agegrouper habe mitfahren lassen. Klar, etwas egoistische Gedanken, aber da kommt dann das Racer-Gen in mir raus und ich wollte zwar meine beste Zeit, aber auch etwas den persönlichen Fight gegen andere AKler. Aber den konnte ich damit etwas wieder in den Hinterkopf verbannen.
Tritt für Tritt habe ich mehr und mehr auf mich gehört und immer schwerer wurde es bei Andrej dran zu bleiben. Mental gingen die 40km Out and Back deutlich schneller vorbei als auf der ersten Runde, aber dafür hatte ich den gleichen Puls, welchen ich die letzten Wochen davor im Training bei gut 15-20 Watt mehr hatte. Es war aber auch anderes Racen. Wenn die Lücke zu groß wurde, dann habe ich auch mal ein paar Tritte fester gemacht, damit ich nicht auch fliegen gehe. Und wenn die Lücke zu klein wurde, was eher nicht der Fall war, weil bei mir genau genug ging, um fair dranzubleiben, dann konnte ich mal kurz den Po anheben. Ich wiederhole deshalb an dieser Stelle meinen Tipp: Fahrt einfach Rolle in Aeroposition als Training. Dann wird das kein Problem für euch.
Aufpassen zur Ablenkung
Wieder runter von der Autobahn ging das kleine Italien Chaos los. So wahrscheinlich für viele die in der zweiten Runde überrundet haben. Auf dem Weg zum Anstieg und vor allem für mich dann im Anstieg musste ich neben dem Treten und fairen Fahren auch hin und wieder um freie Bahn bitten. Laut und deutlich. Zum Glück bekomme ich das in der Regel gut hin, sagt zumindest meine Freundin, wenn ich zuhause mal auf der Rolle was vergessen habe und nach ihr rufe.
Am Anstieg dann wieder das gleiche Spiel wie in der ersten Runde. Diesmal aber schon mit kleinerem Abstand. Ich habe laut Strava 1 Watt weniger auf das Segment gedrückt, aber mein Abstand waren statt 30 Sekunden wie in Runde 1 nur noch 15. Das Risiko auf dem Bergabstück musste ich dann trotzdem gehen, um wieder für die letzten 50km dranzukommen. Und diesmal auch noch mit Verkehr im Weg. Es ging aber besser als erwartet. Ein kleiner Drift in dem oben genannten ersten Abzweig mit dem Hinterrad und mein Kopf war dann auch wieder voll da. Zu viel Risiko sollte ich dann doch nicht gehen. Was auch für den Rest nicht mehr notwendig war und es sich bis hierhin gelohnt hatte. Wieder dran an Andrej. Wieder zurück auf die Bundesstraße. Und wieder versuchen das Hinterrad nicht zu verlieren. Selbst als wir zwei andere Pros überholt haben und diese sich direkt bei Andrej anhängen wollten bin ich noch vorbei. Und so lange haben diese sich auch gar nicht gehalten. Ich glaube nach weiteren 5km haben Sie sich auch aus unserer Gruppe verabschiedet. Zum Glück hatte ich mich gleich auf Position 2 gesetzt, weil ich sonst eine gute 100m Lücker wieder hätte zufahren müssen und ich bin mir nicht sicher, ob das noch geklappt hätte.
Ein letztes Mal Strecken. Auf dem Rad!
Jetzt ist dieser Post schon wirklich eine lange Geschichte, aber so ist nun einmal der Bike-Split bei der Langdistanz. Nach 160km ging es runter und zurück in Richtung Cervia. Ich hab noch einmal die Reserven rausgeholt und bin nach vorne gegangen. Meine dritte und letzte Führung, aber die hatte es nochmal in sich. Mittlerweile kam der Wind eher von der Küste und das tat beim Rückweg in Richtung Küste natürlich besonders gut. Auch kamen wir wieder am Fotospot vorbei und auch hier war Stefan wieder da. Was mich nur wunderte zu diesem Zeitpunkt war, dass im vergangenen Jahr die Radstrecke 175km lang war und auf Komoot die GPX Datei genau gleich aussah. Aber aus der Aktivierung vom Freitag wusste ich, dass es von dieser Stelle noch 9km bis zur Wechselzone sind. Und ich hatte schon 171km auf dem Tacho. Ein wenig überraschend, dass es doch ehrliche 180km sind, war ich dann schon. Aber mei. Dann wird es halt keine Bikesplit unter 4h20m. Ich habe das einfach mit den 3 Minuten aus dem Schwimmen gegen gerechnet. Also das passte dann schon. Und so war die Zeit bis zur Wechselzone auch mit ein paar Rechenspielen verbracht.
Vor der Wechselzone, auf dem Zick Zack Kurs, habe ich dann noch meine Aero-Sleeves runter gerollt, damit ich die beim Beutel schneller ausziehen kann. Außerdem habe ich von meinen Notfall Gels in der Aerobox noch 3 Stück in den Einteiler gepackt. Der Absteig war dann, wie halt so ein Abstieg ins Laufen nach 180km ist. Nicht sehr angenehm. Aber das wirkliche Laufen kommt dann im nächsten Blog.
Zahlen Daten Fakten: 4h24 Bike-Split auf echte 180km, davon 45km circa allein. Die Ansteige bin ich mit 308 und 307 Watt gefahren. Ich habe knapp 500-530g Carbs aufgenommen. Davon 2 Gels, 300g in der Aero-Flasche und den Großteil meiner Flasche hinter dem Sattel mit 200g Carbs. 242 Average Power, 251 NP. 9 Minuten über 318 Watt. Den Großteil, ziemlich genau 3h bei 210-280 Watt. Eine Trittfrequenz von 0, also kein Treten von den 4h24: 2 Minuten und 23 Sekunden. ALSO FAHRT ROLLE und tretet die ganze Zeit.