Aus der Wechselzone, das Schwimmen aus dem Sinn und rauf aufs Rad. Nach etwa 54 Minuten war ich auf dem Rad. Die Uhr hatte die Gesamtzeit kurz gestoppt als ich den Neo ausgezogen hatte und ich habe dann immer mit großzügig 1-2 Minuten gerechnet, welche die Uhr bei der Gesamtzeit nicht mitgezählt hat. Auf dem Rad war ich perfekt im Plan. Zwar etwas langsamer geschwommen, aber dafür mit nur 2 Minuten sehr schnell durch T1 gekommen, ging es dann auf den Radschuhen stehend aus Tallinn. Das erste Stück war das kurvenreichste für den Rest des Tages. 4 Kurven innerhalb von 3 Kilometern war schon das Maximum. Bevor es durch die erste Kurve ging bin ich an meiner Freundin vorbeigekommen, die mich nicht nur dort die 2 Sekunden super angefeuert hat, sondern die ganze Woche und die Monate davor mein bester Support war.
Dieses Jahr habe ich mich bei den Radschuhen gegen Triathlonschuhe entschieden und bin in reinen Radschuhen mit Boa-Verschluss gefahren. Es war natürlich etwas aufwändiger in diese reinzukommen und die Zunge am Spann schön hinzubringen, aber ich war mir sicher, dass ich durch den Komfort und die Passform diese 3 Sekunden mehr wieder rausbekommen würde. An der Stelle, an der meine Freundin stand, hatten andere die Schuhe schon vollständig an, aber ich war noch auf den Schuhen, aber bereits mit 35kmh unterwegs. Vor der ersten Links-Rechts Kombi war das aber auch erledigt und es konnte wirklich losgehen.
Und das Radfahren war nicht so einsam, wie ich gedacht oder erwartet hatte. In Führung liegen hat da schon den Vorteil, dass ein Führungsmotorrad extra für dich abgestellt ist und auch die gesamten 3 Runden im Abstand von 30-50 Metern vor mir gefahren ist. In Tallinn waren noch einige Zuschauende am Straßenrand, aber mit dem ersten kurzen Anstieg am Harku-See wurde es dann geteilte Zweisamkeit. Einmal auf dem Motorrad vorneweg und ich mit 270 Watt hinterher. Es lief direkt gut. Die Beine waren noch etwas kalt, so dass ein paar Watt mehr etwas leichter raus gingen und mir auch schnell warm wurde. Es waren, wie im ersten Blog geschrieben, sogar bessere Bedingungen als im Race-Pace-Test. 13 Grad ohne Regen und mit etwas Wind.
Die erste Runde blieb dann unspektakulär: An der ersten Verpflegung habe ich nichts genommen, an der zweiten kam man zuerst in der Gegenrichtung vorbei und ich wurde laut angefeuert. Erst als der Abschnitt mit etwas rauerem Asphalt kam wurde es zum ersten Mal anstrengend. Der Wind stand hier auch etwas schräg von vorne und die 270 Watt wurden auch mal kurz zu 280 oder zu 210, wenn es zu ruppig war. Es fühlte sich härter an als geplant, aber mit Wind und Anstieg sollte das schon okay sein. Der Puls war etwas höher als im Training, aber das Risiko und mit dem Race-Szenario wollte ich dann eingehen. Nach einer der wenigen Kurven ging es dann wieder auf normalem Asphalt weiter zum Wendepunkt, welcher in der ersten Runde nicht kommen wollte. Irgendwann habe ich auf der Karte auf dem Radcomputer etwas raus gezoomt, um zu sehen, wie weit es noch ist. Für die erste Runde hatte ich mir den Race-Kurs geladen, damit ich, falls ich allein bin, trotzdem weiß, wo es hin geht. Und nach zwei Mal herauszoomen war dann doch endlich der Wendepunkt auf der Karte in Sicht und damit auch nur einen Kilometer noch entfernt.
Als Racer war dann schnell der Blick auf die Uhr notwendig: Was ist die Rennzeit? Merken und dann die Differenz berechnen, wenn der zweite entgegenkommt. Gemacht, berechnet, weil da noch Blut im Kopf war für diese Dinge und bei knapp 2 Minuten Vorsprung etwa rausgekommen auf Platz 2 und 3. Danach die Gruppe hatte etwa 4 Minuten und die erste größere Gruppe und als dann konstant Fahrer, eigentlich habe ich auf der ersten Runde auch nur Männer gesehen, war circa 10 Minuten weg. Meinen ersten Bekannten, Stefan, habe ich dann kurz vor dem Abzweig an dem sich das Out-and-Back Stück zum Wendepunkt wieder teilt, gesehen. Er war gut unterwegs und hatte bestimmt seine Schwimmzeit erreicht, wenn er „nur“ etwa 15 Minuten hinter mir war. Super Cool. Also da lief es auch sehr gut. Das war kurz vor der zweiten Verpflegungsstation. Aus irgendeinem Gedanken habe ich dann an dieser Verpflegung mir ein Wasser gegriffen, den Tank aufgefüllt und dann zwei Schlucke genommen. Das war dann auch das letzte Mal auf der Radstrecke, weil ich mir sofort danach gedacht habe: Warum. Du hast noch mindestens einen Liter hinter dem Sattel. Warum verwendest du nicht zuerst das Wasser bevor du zusätzliches nimmst. Mach dich insgesamt nicht schwerer bei dem welligen, windigen Kurs. Und ab da war ich dann im Fokus-Modus für die erste Runde.
Um meine Zielzeit zu erreichen, musste ich etwa 1h24 pro Runde brauchen exklusive des Lead-In zu den drei Runden. Nach der ersten Runde habe ich dann auf die Uhr gesehen: 1h27. Top. Perfekt die Fahrzeit gehabt und die Watt stimmen auch. Kurz den Applaus genossen am Wendepunkt in der Stadt und dann raus auf Runde zwei. Aber auch mit einem kleinen Vorsichts-Tom auf der Schulter: 270 Watt fühlten sich schon hart an. Jetzt 80 Minuten hinter dir und du hast nochmal 2 Runden vor dir. Pass auf, dass es nicht zu hart wird und die Beine zu schnell schwer werden. Dass sie auch bereits auf dem Rad schwer sein dürfen war geplant. Aber so früh nicht. Runde 2 versucht also weniger über 300 Watt zu fahren und den Puls unter 150 zu halten. Die Phasen in der ersten Runde über den beiden Werten waren gut und bestimmt auch wichtig, aber in Runde zwei hab ich etwas rausgenommen. Das hat sich dann auch am Wendepunkt auf der Runde gezeigt: Abstand auf 2 ist weniger geworden. Nur noch 1 Minute 15. Der gibt also gut Gas oder ich hab zu viel rausgenommen.
Da war dann die Frage: Ok, was jetzt? Wie komme ich wieder auf 260/270 Watt und das ich das durchziehen kann. Dazu muss ich jetzt etwas Kontext geben. Auf der Runde gibt es 3 Anstiege bei denen länger aus dem Sattel gegangen werden kann, da zumindest für mich dort die Geschwindigkeit auf unter 30 gefallen ist. Das erste Stück ist früh aus der Stadt heraus, das zweite auf dem Weg zum Wendepunkt und das dritte mitten im Nirgendwo, etwa bei 2/3 der Strecke. Und bei diesem dritten Stück habe ich mir dann gedacht: Ok, statt am Ende der zweiten Runde gibt es jetzt das Koffein-Gel. Das ist jetzt die Maßnahme, um schneller wieder reinzukommen. Zack, 45g runter und gehofft, dass es die Power zurückbringt.
So richtig hat es dann aber noch nicht gezündet. Erstmal stand nämlich der härteste Abschnitt des Tages an: 16km zurück in die Stadt, flach mit ein paar False-Flat Passagen, aber in der zweiten Runde mit Gegenwind. Spaß für die ganze Familie. In dem Abschnitt habe ich am meisten KMH meiner Durchschnittsgeschwindigkeit verloren. Davor standen noch 42 oder knapp drunter auf dem Tacho. Nachdem ich mich in die Stadt gekämpft hatte waren es 41.7kmh. Meckern auf super hohem Niveau, aber für das Ziel einer neuen PB und unter dem Ziel unter 85 Minuten pro Runden zu fahren nicht optimal. So war dann die zweite Runde auch deutlich langsamer. Ohne nachzusehen habe ich für mich beschlossen, dass es 3 Minuten langsamer gewesen sein musste. Mental sehr fordernd diese zweite Radrunde, aber wenn der Wind in die eine Richtung gegen dich steht, dann steht er nach einem 180 Grad Wendepunkt danach sehr gut für dich. Und das war der Boost, welchen ich gebraucht hatte. Der Abstand ist bei circa 1.15 gleichgeblieben, aber jetzt kam die Tom Zeit. Das Koffein-Gel kickte zum einen und zum anderen bin ich mit 50 aus Tallinn raus gescheppert. Die 270 Watt fühlten sich nicht mehr so hart an und die Pace ging auch wieder nach oben. Um die dritte Runde kurz zusammenzufassen: Der Abstand hat sich wieder erhöht, die Beine haben sich gut angefühlt, die Verpflegung lief top und der Spaß auch am Radfahren kam in der dritten Runde zurück.
Auch super war einen anderen Freund aus der Reisegruppe Augsburg auf seiner zweiten Runde zu überrunden und kurz Hallo zu sagen. Einfach so eine Kleinigkeit im Rennen, die den Tag zum super Tag gemacht hat. Und vor allem das große Mentaltief war damit überwunden. Noch besser wurde es sogar als ich wieder auf die 16km zurück in die Stadt gekommen bin und es runtergeschüttet hat. Der Regen war mir nämlich egal, aber der Wind vor der großen Regenwolke war weg. Die Pace blieb hoch und ich hatte ja nur noch 20 Minuten vor mir bis ich mich mit der T2 beschäftigen konnte.
Der Regen hörte vor T2 sogar noch auf, so dass zumindest kein neues Wasser von oben kam und fürs Laufen perfekte Bedingungen waren. Die Schuhe waren zwar schon voll mit Wasser, aber das war halb so wild. In Tallinn wieder zurück geht es über eine große Verkehrsbrücke. Da habe ich direkt das Visier vom Helm nach oben geklappt, dann beim Runterrollen von der Brücke meine Aero-Waden-Sleeves runtergerollt, weil ich nicht mit denen Laufen wollte und dann das letzte Mal den 180 Grad Wendepunkt genommen. Das Motorrad fuhr dann auf den Teil zum Abbiegen in die Wechselzone und es waren schon deutlich mehr Menschen jetzt an T2 als in Runde 1 und 2. Und ich war bereit. Bereit für den zweiten Wechsel und bereit dann einen Marathon durchzuziehen.
T2 war super. Ein Helfer hat mir nach kurzem Schieben das Rad direkt abgenommen und ich konnte meinen Helm auf dem Weg zu den Beutelständern ausziehen. Die Schilder in T2 waren immer noch auf der falschen Seite, so dass ich mit der Hoffnung vom T2-Besichtigen am Freitag in eine Reihe gelaufen bin und dort auch der Beutel hängt. Und das war auch so. Es hat sich nichts geändert und alles war da. Wie in T1 habe ich alles ausgeschüttet. Als erstes habe ich die notwendige Sicherheitsmaßnahme Vaseline gemacht und danach dann meine Wadenstutzen ausgezogen, die Socken an, die Schuhe an und ich hatte mich für binden entschieden. Grund war, dass die Schnellschnürsenkel im Schuh schon beim Testen so sehr auf den Spann gedrückt haben, dass ich das nicht 3 Stunden aushalten wollte. Den Helm habe ich dann in den Beutel geworfen und meinen Frischhaltebeutel (Eine Flask mit 3 Gels, 135g Carbs, 1x normales Gels, 1x Koffein Gel, Cap und Sonnenbrille) genommen. Bevor es dann aus T2 raus ging, bin ich kurz noch aufs Dixi, um falls etwas da ist es rauszuhaben für den Run. Es war nicht viel, aber mental wusste ich dann auch: Wenn ich jetzt nicht jede Verpflegungsstation mir super viel reinhaue, dann muss ich beim Laufen nicht aufs Klo.
Und dann nach 3 Minuten und 20 Sekunden habe ich den Wechselbeutel am Ende von T2 abgegeben und bin raus auf die Laufstrecke. Und wie es mir da ergangen ist, lest ihr dann im vierten und letzten Blog zu dieser Serie. Bis dahin, schreibt mir gern eure Fragen, immer genug Luft im Reifen, Tom.