Eigentlich sollte ich doch schon im Mai in Ingolstadt unterwegs sein. Mein Saisonauftakt wäre das geworden. Aber die Verschiebungsgründe sind allen bekannt. Also war dann der Auftakt mein Ausstand aus der 2021ger Saison. Ein letzter Tanz auf der Triathlon-Bühne für mich in dieser unglaublich geilen Saison.
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Mein erster Triathlon, 2015, eine spontane Olympische Distanz fand auch in Ingolstadt statt. Damals war ich noch gut wild unterwegs und sehr grün hinter den Ohren. Sechs Jahre später und bei meinem dritten Start in der Stadt meiner Studienzeit habe ich mich das erste mal auf die Mitteldistanz hier gewagt.
Baggersee, Wechselzone und die Straßen aus Ingolstadt heraus kannte ich somit bereits. Nur die neue Radstrecke musste ich mir doch am Tag vorher einmal ansehen. Normal fahre ich 30 Minuten und laufe 20 am Tag vor einem Rennen als Ritual. Mit einem kleinen Schlenker auf die Rennstrecke habe ich mir die Feldwege noch angesehen. Es war kurviger und etwas welliger als erwartet. Dennoch mit dem Stück aus Ingolstadt bis zur „Runde“ super flach und extrem schnell.
Ein trügerisch schöner Morgen
Am Renntag war ich geplant früh in der Wechselzone und habe mein Rad auch erst am Sonntag eingechecked. Nachdem die Wiese doch etwas feucht und ein wenig Regen am Samstag gefallen war, auch die richtige Entscheidung. Die Überlegung bis zum Rennmorgen war – nach meiner Erfahrung aus Tallinn mit den zwei Rad-Klo-Stopps – wie viel ich auf dem Rad mitnehmen an flüssiger Nahrung. Am Ende war es ein Kompromiss aus 2 Flaschen und 4 Gels. Gewicht spielte zum Glück keine zu große Rolle, so dass ich einfach aufladen konnte. Zwar hat der Wetterbericht nur 22 Grad während unserer Rennzeit vorhergesagt, aber am Ende war es doch besser beide Flaschen und die Gels dabei zu haben. Denn wie die Bilder zeigen werden: Bei 22 Grad und Wolken ist es nicht geblieben.
1, 2, Risiko
Bei einem Tanz in einem bestimmten Stil ist man sich der Schritte bewusst. Mein Coach und ich waren uns diesmal sicher, dass wir etwas mehr Risiko gehen wollen und schauen was geht. Das führte schnell dazu, dass ich beim Schwimmen die zweite 3er Gruppe angeführt habe. Denn das Risiko beim Schwimmen hat sich nur 10m lang ausgezahlt.
Ich hatte zwar als einer der ersten die Nase im Wasser, aber auch schnell die Beine von Sebi Mahr wieder verloren. Auf dem Bild bin ich von den „Hechtenden“ der linke. Da Sebi wirklich Schwimmen kann war der Risiko-Versuch hier einmal dran zu bleiben. Das war nix. Zu schnell los und dann dadurch dicke Arme gehabt. Vielleicht hätte ich es geschafft in der Gruppe um Zugpferd Sven Poller (und Tobias und Niklas) mitzuschwimmen, wenn ich weniger Risiko gegangen wäre.
So bin ich mit Lukas Krämer aus dem Wasser gekommen. Eigentlich wollte ich doch vor ihm aus dem Wasser sein, so dass er mich auf der Radstrecke erst aufholt. Das heißt schneller Wechsel und hart anfahren auf dem Rad. Die Gruppe vor mir habe ich gerade weglaufen sehen als ich zu den Radständern gekommen bin. Soweit in Ordnung, nicht zu viel nach vorne „verloren“. Die schnellste T1 Zeit schiebe ich mal auf die Übung aus dem Ligarennen am Wochenende vorher. Also hat der kurz gefasste Plan gut geklappt.
Einfach mal hinterher Drücken
Auf den ersten Metern der Radstrecke habe ich den Zug vorne noch wegfliegen sehen. Hin und wieder bis zum Kreisverkehr am Ende von Ingolstadt blitzen die drei Räder auf. Wie ich im Nachgang erfahren habe, hatte es aber einen guten Grund warum ich nicht näher ran gekommen bin. Sven hat einfach mit über 330 Watt die ersten Kilometer weggedrückt. Da bin ich mit meinen 300 doch schon auf den ersten Kilometern deutlich abgefallen.
Bis zum ersten 180 Grad Wendepunkt war es auch eine einsame Angelegenheit. Ich konnte zwar meinen Kumpel Niklas aus der ersten Gruppe aufholen und überholen, aber nach vorne wurde der Abstand größer. An der Wende hatte ich mindesten schon 90 Sekunden auf der Uhr. Die Gruppe vorne war zusammengefahren und ich hing zwischen der ersten 3er Gruppe und einer kleinen 2 bis 5 starken Gruppe in der Mitte.
Bis zum Wendepunkt habe ich versucht meinen hohen Puls vom Schwimmen mehr und mehr runter zu bekommen und das Risiko auf meine Watt und nicht das Rennen vorne zu fokussieren. Denn wenn ich zur ersten Gruppe vor gedrückt wäre, dann wäre der Ofen nach dem Radfahren aus gewesen. So habe ich die Wattvorgaben wieder in wieder in meinen Kopf geholt und versucht nicht zu sehr davon nach oben abzuweichen.
Am zweiten Wendepunkt, dem Kreisverkehr bei Ingolstadt, an dem Stefan dieses Foto aufgenommen hat, war ich 1:50min hinter der Spitzengruppe. Tobias und Sebi hatten Roth in den Beinen und Sven ist auf dem Rad stärker als beim Laufen, aber viel mehr Vorsprung sollte es doch nicht werden. Ergebnis dieser Überlegung: Aus dem Rahmen etwas nach oben Springen, die Oberschenkel etwas mehr brennen lassen und statt geplanter 300 Watt mal ein paar Kilometer 310-315 treten. Mental war das drin, aber die Beine haben gesagt, dass es so nicht die restliche Strecke funktionieren wird.
Alleine bis und aus T2
Zwar kam kurz ein Staffelradfahrer in der zweiten Runde an mir vorbei, aber nach einem kurzen Intermezzo war ich auch wieder aus der Windschatten-Legalen Box raus. Das Manöver zu Beginn und die kurze mentale Auffrischung nicht alleine zu fahren haben aber Früchte getragen. Mein Abstand auf die Gruppe ist gleich geblieben. Zumindest am Wendepunkt habe ich sie an der gleichen Stelle gesehen. Erster Erfolg der die Beine direkt etwas leichter gemacht hat. Aber es waren immer noch 15 Kilometer bis zurück in die Wechselzone.
Auch dort waren es nur ein paar Helfer und ich. Der zweite Wechsel war etwas langsamer, da ich nicht, wie in Estland, meine Gelflasche vergessen durfte. Etwas fokussierter und kontrollierter bin ich durch T2. Auf die Laufstrecke und im Kopf noch die letzte Aussage mit 1:45 Abstand nach vorne.
Sehr einsam war es auch um den Baggersee herum. Dadurch das der Triathlon mehr in die Stadt verlegt werden soll, waren keine Zuschauer auf den 4 Kilometern um den See. Einen kurzen Blick auf das Führungsrad und die ersten beiden habe ich erhascht, aber bis Kilometer 5 war es ein einsamer Start. Mache ich Zeit gut oder bleibt es gleich? Erst ab dem Ziel habe ich erfahren, dass ich knapp 10sek pro KM auf Tobias Heining (Führte zu dem Zeitpunkt) gut mache. Wenig später war eine wundervoll motivierende Perlenkette vor mir.
Wie mental ist ein Rennen an der Spitze
Für den Kopf waren die Infos vom Streckenrand und dann der Blick auf die 500m vor mir auf dem Weg in die Stadt perfekt. Ich konnte genau sehen, dass ich zuerst auf das Podium, dann auf den Überradler des Tages und dann auf Tobi aufgeholt habe. Jeden Kilometer war es ein Platz weiter vorne. Bis zu Kilometer 9 bei dem ich endlich die Führung übernommen habe. Wundervoll. So kann es weiter gehen. Bis Simon passierte: Genau 50m nachdem ich vorne war kam der Kommentar „Das war ganz schön Arbeit“ von hinten und weitere 50m war meine Zeit an der Spitze vorbei.
What a bummer. Und das zeigte sich dann auch relativ schnell bei meinen Splits. Die Beine wurden schwerer und die Saison lief dem Ende entgegen. Noch 10km Kampf, mehr als am Walchsee und in Estland, bis zum Ziel. Das ich 10 Sekunden pro KM aufhole beflügelt. Das hinter mir jemand 15 Sekunden auf mich aufholt und mich dann überholt ohne Abzukürzen (war ein Flüchtiger Gedanke, aber so ein schneller Läufer, der ist bestimmt richtig gelaufen) hat mich durchaus Mental etwas gebrochen.
Die ersten 5km in 18:00, die zweiten in 18:12, danach in 18:44 und die letzten 5km in 19.06. Der Ofen war dann aus. Nach hinten war relativ gut abgesichert und das Ziel der Saison 2021 kam immer näher.
Bayrischer Meister 2021
Das Ziel war dann direkt vor mir. Auf dem roten Teppich gab es einen Kuss für meine Freundin, ein paar Schritte zum Ziel und dann der Jubel über den Titel der gar nicht auf meinem Radar gewesen ist.
„Und da kommt der bayrische Meister“. Etwas erstaunt war ich kurz, aber das hatte ich auf die harte Strecke einfach verdrängt. Mir ging es um das Rennen als ganzes und da hatte ich nicht mehr dran gedacht. Umso mehr habe ich mich dann über Platz 2 und den ersten Platz auf der Ziellinie gefreut. Einmal kurz den Jan-Jubel ausgepackt und relativ schnell entschieden, dass ich sitzen muss.
So geht mit zwei sehr erfolgreichen Mitteldistanzen, dem Rennen in Estland, viel Spaß in der Liga und neuen Bestzeiten auf Halbmarathon und Langdistanz die Saison zu Ende. Damit ist auch alles gesagt für dieses Jahr. Ich bin über glücklich mit all den Ergebnissen und werde jetzt Triathlon Triathlon sein lassen und mich dem ein oder anderen enspannteren Nachmittag und vor allem Wochenende widmen. Die Gedanken an die Saison 22 schiebe ich in eine Schublade und bringe Sie nach der Erholung wieder raus.
Danke das ihr hier so fleißig mitlest und mich diese Saison begleitet habt. Ich trinke darauf einen. Schöne Off-Season: Tom